Heldin: Filmdrama um den Pflegenotstand

Heldin: Filmdrama um den Pflegenotstand

Floria ist die Heldin eines Kinofilms, den die Besucher der Berlinale 2025 erstmalig sahen. Leonie Benesch spielt eine junge Krankenschwester, die auf einer onkologischen Station arbeitet. Im Spätdienst gerät sie an ihre Grenzen. Der Film erzählt schonungslos und bewegend von dem Pflegenotstand, der in der Schweiz ein ebenso drängendes Problem darstellt wie bei uns in Deutschland. Du befindest dich sofort mitten in der Handlung. Plötzlich ist die Schicht zu Ende und lässt sich nachdenklich zurück.


Heldin: Das Wichtigste in Kürze

  • Kinostart: 27.02.2025
  • Drama: FSK 6
  • Dauer: 92 Minuten
  • Hauptdarsteller: Leonie Benesch, Sonja Riesen, Selma Aldin
  • Regisseurin: Petra Volpe
  • Deutschland, Schweiz, Tobis Film

Drei Facts zum Film

  • Tiefer und authentischer Einblick in den Krankenhausalltag
  • Leonie Benesch spielt mit ganz viel Leidenschaft
  • Ziel der Filmemacher ist die Aufdeckung des Pflegenotstandes

Sehenswert?

Mich hat die Handlung sehr gepackt, weil ich selbst einmal eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert hatte. Ich war erschüttert, wie viel sich verändert hat. Floria bemüht sich, allen Aufgaben gerecht zu werden, doch sie hat gar keine Chance. Der Film zeigt teilweise schonungslos Details und Schicksale, die sich eng an der Realität orientieren. Eben das wühlt auf und regt zum Nachdenken an. Dieses Drama sollte sich jeder von uns anschauen, denn es geht uns alle etwas an.


Eine Spätschicht im Spital

Die Handlung spielt auf einer Krebsstation in einem Schweizer Krankenhaus. Floria ist für den Spätdienst eingeteilt. Sie fährt mit dem Bus zum Dienst. Du merkst sofort, dass sie ihren Beruf liebt. Ihr Wesen ist sanft und freundlich. Sie informiert sich über die Patienten, die sie an diesem Nachmittag betreuen soll. Sie ist mit einer weiteren Kollegin und einer Schülerin aus dem ersten Ausbildungsjahr allein auf der Station. Dies ist eine Herausforderung: Die Zimmer sind nahezu voll belegt und es gibt Patienten mit sehr schwerer Diagnose und hohem Unterstützungsbedarf.

Floria ist hilfsbereit und routiniert

Die Hilfsbereitschaft von Floria fällt ganz schnell auf. Sie möchte die Patienten unterstützen, für sie da sein, allen in ihren individuellen Bedürfnissen gerecht werden. Zeit für ein kleines Gespräch, die Erledigung kleiner Handreichungen und die pflegerische Betreuung: Alles soll liebevoll, mit Hingabe und Freundlichkeit erledigt werden. Floria ist eine junge Krankenschwester, dennoch verfügt sie über eine große Routine. Sie zeigt jederzeit ein freundliches Lächeln und verspricht, sich um die kleinen und größeren Belange zu kümmern.

Wenn die Zeit für die Arbeit nicht ausreicht

Die Aufgaben, die in dieser Spätschicht zu bewältigen sind, wachsen mit jeder Minute an. Da sind die täglichen Routinen wie Fiebermessen, Tee kochen oder die Frage nach dem Gespräch mit dem Arzt beantworten. Zusätzlich müssen auf dieser Station Patienten in den OP gebracht und wieder abgeholt werden. Pflegebedürftige Patienten gibt es ebenso wie Besucher, die sich mit ihren Gedanken und Sorgen an Floria wenden.

Es kommt der Moment, in dem gleichzeitig so viele Aufgaben zu erledigen sind, dass Floria Prioritäten setzen muss. Der Übergaberaum im OP ist ebenso voll wie die Station: Der Patient muss abgeholt werden, der Tee des Privatpatienten hat keine Priorität mehr. Die Suche nach der Lesebrille ist nicht so wichtig wie das Reichen des Schmerzmittels. Das Fehler passieren können, ist ganz normal. Und dass die Kraft mit jeder halben Stunde nachlässt, ebenfalls.

Florias Aufgaben sind unlösbar

Niemand von uns kann an mehreren Orten gleichzeitig sein. Das wird Floria mit jeder halben Stunde, die vergeht, zum Verhängnis. Sie schafft es nicht mehr, ihre Aufgaben so zu erfüllen, wie sie es sich wünscht. Die Schülerin als einzige Hilfe ist überfordert, die Kollegin auf der anderen Seite der Station mit ihren Patienten beschäftigt. Floria bittet um Unterstützung, sie bekommt keine, und sie sagt: Ich mache das.

Ihre Kraft schwindet. Ihr Lächeln ist noch vorhanden, doch es wirkt schief und eingefroren. Es sind immer wieder anspruchsvolle Arbeiten zu erledigen: Die Gabe starker Schmerzmittel, das Kümmern um Patienten, die sehr schwer erkrankt sind. Trotzdem gilt es, nicht unfreundlich zu sein, wenn ein Patient oder deren Angehörige nerven. Die Spirale dreht sich von Minute zu Minute weiter. Sie ist endlos und sie zieht Floria immer weiter in die Tiefe

Zwischen Dokumentation und Drama

Der Film um die Heldin Floria ist kein klassisches Kinoevent, in das du dich nach deinem eigenen langen Arbeitstag zurücklehnst, um dich unterhalten zu lassen. Um ein Abenteuer zu sehen, einen Ausflug in eine fiktionale Welten oder eine romantische Liebesgeschichte zum Träumen. Das Genre des Films lautet „Drama“, doch es handelt sich in weiten Teilen um eine Dokumentation. Die Augen der Kamera sind ununterbrochen auf Floria gerichtet. Auf ihr Gesicht, ihre Mimik, ihre Worte. Oder auf die Momente, in denen sie über die langen Flure läuft, um in Zimmer zu gehen, in denen das Licht aufleuchtet, oder um ihren Rundgang zu erledigen, bei denen sie die Vitalfunktionen der Patienten überprüft.

Als Genre würde mir alternativ das Drama einfallen. Es gibt einen Konflikt, der sich zuspitzt. Es ist die Zeit, die nicht ausreicht, um alle Aufgaben mit der gebotenen Zeit und Würde den kranken Menschen gegenüber zu erledigen. Die Handlung ist spannend, sie steigt auf. Doch dann sind die Schicht und mit ihr das Drama beendet. Es gibt die Exposition, die steigende Handlung und den Höhepunkt. Die abfallende Handlung und die Lösung des Konflikts fehlen. Warum? Es gibt keine Lösung.

Ein Film nach wahren Begebenheiten

Es handelt sich nicht um einen klassischen Film, in dem eine wahre Begebenheit geschildert wird. Viele wahre Begebenheiten werden erzählt, denn der Alltag in unseren Krankenhäusern wird in „Heldin“ hautnah erzählt. Die Kamera kommt ganz nah an die Pflege heran. Sie fängt einige wenige ruhige, stimmungsvolle Momente ein. Doch meistens geht es hektisch zu. Der Job ist undankbar. Die Patienten sind es, weil sie berechtigterweise sich selbst im Mittelpunkt sehen. Sie bekommen von dem wahren Arbeitspensum des Pflegepersonals nichts mehr. Und sie müssen sich darum auch nicht kümmern. Sie haben das Recht, ihre eigenen Sorgen und Wünsche in den Mittelpunkt zu stellen. Nur können diese nicht in dem Maße erfüllt werden, in dem es notwendig wäre.

Der Hinweis im Abspann ist überflüssig

Einen kleinen Spoiler gebe ich zu dem Film heraus: Im Abspann wird auf den Notstand der Pflegekräfte in der Schweiz hingewiesen. Es gibt ihn auch in Deutschland und in anderen europäischen Ländern. Die Gründe sind vielfältig: Die Arbeit im Schichtdienst, die Bezahlung und die Arbeitsaufgaben entsprechen bei immer mehr jungen Menschen nicht dem, was sie sich unter ihrem Arbeitsleben vorstellen.

Hinzu kommt der demographische Wandel: Die Menschen werden immer älter. Das Alter bringt Krankheiten mit sich, die eine Einweisung ins Krankenhaus erfordern können. Zeitgleich sinken die Geburtenraten. Es gibt junge Menschen, die gar keine Kinder möchten. Andere entscheiden sich für die Ein-Kind-Familie. Mit dieser Entwicklung ist eine massive Überalterung der Gesellschaft verbunden. Der Notstand zeigt sich nicht nur in der Pflege, sondern auch in vielen anderen Bereichen: Das Handwerk, die Gastronomie und verschiedene Dienstleistungsbereiche finden keinen Nachwuchs mehr.

Die Problematik ist seit Jahren bekannt. Die Missstände im Krankenhaus erlebt nahezu jeder, der einmal selbst krank wird oder der Angehörige auf der Station besucht. Der Unmut richtet sich schnell gegen das Personal, was häufig ungerecht ist. Dass der Film auf diese Entwicklung aufmerksam macht und sie sehr authentisch erzählt, wird schon in den ersten Minuten klar. Es braucht den Hinweis nicht, dass die Pflegekräfte Anerkennung verdienen und dass sie eine teils übermenschliche Arbeit leisten.

Eine winzige Kritik

Der Film ist packend, sehr gut erzählt und er orientiert sich eins zu eins an den realen Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals. Eine kleine Kritik muss ich dennoch anbringen: Wer in der Medizin nicht so bewandert ist, nie in einem Krankenhaus gearbeitet hat und selbst an keiner schweren Krankheit litt, kann es schwer haben, die Erkrankungen der Patienten einzuordnen. Die Diagnosen sind breit gefächert, ich meine aus der Erfahrung heraus, dass die Patienten in einem realen Krankenhaus auf verschiedenen Stationen liegen würden. Doch das mag der Erzähltechnik geschuldet sein: Die Regisseurin wollte verschiedene Realitäten in die Handlung einbauen.

Schade ist, dass der medizinische Laie vielleicht nicht versteht, welche Erkrankungen die Patienten haben, da dies ausschließlich in der Fachsprache erwähnt wird. In der späteren Handlung wird einiges klar, doch anfangs bleibt der Zuschauer im Dunkeln. Vielleicht ist das so gewollt, um einen gewissen Spannungsbogen aufzubauen. Oder der Film richtet sich vornehmlich an Menschen, die in der Pflege arbeiten.

Das Spiel der Leonie Benesch

Leonie Benesch ist bereits aus anderen Filmen für ihr eindrucksvolles Spiel bekannt: Für ihre Rolle in „Das Lehrerzimmer“ gewann sie im Jahre 2023 den Deutschen Filmpreis. Als Heldin des gleichnamigen Films bekommt der Zuschauer das Gefühl, als wäre die Schauspielerin einmal eine Krankenschwester gewesen. Jede medizinische Handlung ist so routiniert, dass kein Zweifel an der Kompetenz aufkommt.

Noch eindrucksvoller ist die Mimik, die das Spiel begleitet. Im gesamten Film ist die Kamera auf das Gesicht gerichtet. Die Handlung besteht aus Gesprächen und medizinischen Tätigkeiten. Nur selten wird der Ablauf unterbrochen, was der Realität entspricht: Der Arbeitstag spielt sich auf der Station ab. Im Flur und in den Krankenzimmern.

Mit jeder neuen Aufgabe nimmt der Stress zu

Die anfangs freundliche, warme Mimik unter der legeren, aber doch exakten Frisur und dem frischen Tatendrang nimmt mit jeder neuen Szene ab. Der Stress steht Floria ins Gesicht geschrieben. Die Haare verrutschen. Die Kleidung ist verschwitzt, später verschmutzt. Es gibt keine Momente zum Durchatmen. Die Mimik passt sich der Stressituation an. Sie ist müde, überreizt, verzweifelt.

Leonie Benesch spielt ihre Rolle mit der Hingabe, die sich Patienten von dem Pflegepersonal wünschen. Dass sie jedem gerecht werden möchte, zeigt ihr freundliches Wesen. Dass es eine andere Seite gibt, die der Stress und die Verzweiflung, nicht allem gerecht zu fernen, fordern, erfährt zunächst die Schülerin. Später spüren es auch die Patienten. Schließlich verzweifelt Floria an ihrem Beruf.

Ein eindrucksvolles Spiel

Neben der Authentizität der Handlung ist es das eindrucksvolle Spiel der Leonie Benesch, das diesen Film so besonders macht. Du solltest ihn gesehen haben, egal, wie eng du der Arbeit im Krankenhaus verbunden bist. Er wird dich zum Nachdenken anregen, über den Alltag in einem Beruf, von dem wir nur selten einen so tiefen Einblick bekommen.

Fazit: Anschauen und Toleranz üben

Leider läuft der Film nur in ausgewählten Kinos, aber wenn du die Möglichkeit hast, solltest du ihn nicht verpassen. Die authentische Handlung, das eindrucksvolle Spiel der Hauptdarstellerin und die Mahnung, dass sich dringend etwas ändern muss, gibt dem Film eine Tiefe, die dich nicht sofort wieder loslassen wird. Wenn es dir gelingt, bei deiner nächsten Begegnung mit einem Krankenhaus mehr Toleranz mitzubringen, hat der Film seinen Zweck erfüllt.

Kinofilm Heldin. Eine Kinorezension.


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