Glindower See: Ruhe, Natur und der Lärm vom Inselparadies

Glindower See: Ruhe, Natur und der Lärm vom Inselparadies

Du liegst mit deinem Boot auf dem Glindower See. Ruhe umgibt dich. Irgendwo singt ein Kuckuck, die Enten schnattern. Das Wasser plätschert, wenn Boote vorbeiziehen oder Paddler den See mit Muskelkraft überqueren. Am wilden Badestrand des Rüsterhorns spielen einige Kinder. Manchmal ist es voll, der See ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Dann liegen die Boote dicht an dicht. Unterhaltungen sind wahrnehmbar oder Kopfsprünge von der Badeplattform. Wenn jemand seine Anlage zu laut dreht, ist das ein Ärgernis, das meistens nur temporär auftritt: Die musikalischen Boote ziehen vorbei oder die Akteure merken selbst, dass sie die Idylle stören. Nicht so das Inselparadies Petzow: Der Lärm kennt keine Mittagsruhe, kein Wochenende, keine Rücksichtnahme. Die Anlage wird für Klassenfahrten und Ferienlager vermietet, es ist ein Interessenkonflikt, bei dem der nach Ruhe suchende Sonnenanbeter auf dem Boot und am Strand immer verliert. Zu Recht?

Blick vom wilden Badestrand des Rüsterhorns auf den Glindower See. Es ist ein Samstag im August: Viele Freizeitkapitäne suchen Erholung. Der See hat sich als Geheimtipp etabliert. Das Inselparadies stört die Idylle … manchmal

Wenn Interessen miteinander kollidieren

Ich weiß, dass ich mit diesem Artikel polarisieren könnte. Das Inselparadies in Petzow ist ein Ort für Spaß und Spiel. Es ist Ziel von Klassenfahrten, im Sommer und Herbst werden Ferienlager organisiert. Die Insel gehört zum Werderaner Ortsteil Petzow: Als wir Kinder waren, damals, in der DDR, mussten die Jungs dort ihr Wehrlager absolvieren. Zwei Wochen dauerte die Einweisung in die militärischen Übungen. Wir Mädels liefen in Uniform auf dem Schulhof umher. Nachmittags mieteten wir uns einen Angelkahn an der Riegelspitze und ruderten rüber, zum Kinder- und Erholungszentrum, wie es damals hieß. Wir sagten einfach „Petzow“, und jeder wusste, was gemeint war.

Irgendwo hinter diesen dichten Bäumen des Inselparadieses warteten die Jungs während des Wehrlagers bei uns. Heute ist das Ufer dichter bewachsen und mit Seerosen gesäumt

Kinderfeindlich? – Nein. Aber Ruhe suchend

Die Jungs riskierten Strafen, aber trotzdem pirschten sie durch den Wald zum Ufer. Wir konnten unseren Schwarm sehen und mit ihm quatschen. Es sind schöne Erinnerungen an die Jugendzeit. Heute stehe ich dem Inselparadies kritisch gegenüber. Und ich bin mit dieser Kritik nicht allein. Ich habe Kinder und Enkel, ich liebe Kinder, und es liegt mir fern, sie in ihren Aktivitäten zu bremsen. Aber dennoch kollidieren ganz unterschiedliche Interessen miteinander: Wir suchen gemeinsam mit vielen anderen Freizeitkapitänen und Strandliegern Ruhe und Erholung. Die Kids wollen Spaß. Spaß macht Krach. Und der zerschneidet die Idylle mitunter auf eine wirklich grenzwertige Weise.

Keine Lust aufs Neptunfest

Beginnen wir einmal mit dem jüngsten Ereignis. Es ist ein Wochentag im August. Der Glindower See ist mit ankernden Booten gut besucht. Eine Seniorin sonnt sich auf dem SUP, ihr Partner liest an Bord ein Buch. Andere Blickrichtung: Großeltern und Enkel schwimmen gemeinsam. Der Junge schwimmt mit dem SUP, dann nimmt er sich das Paddel, stellt sich gekonnt hin und dreht ein paar Runden. Etwas weiter entfernt zieht ein junger Mann mit einem E-Foil seine Kreise.

Wir blicken zum wilden Badestrand am Rüsterhorn: Es ist früher Nachmittag, das Thermometer zeigt knapp 30 Grad Celsius. Der Strand ist leer. Davor liegen zwei weitere Boote. Es sind etwas größere Jachten, die Besitzer haben es sich auf dem Vorderdeck oder auf den Sitzbänken im Heck gemütlich gemacht. Wir sind mitten drin: Mein Mann muss in die Nachtschicht, er legt sich zum Mittagsschlaf in die Kajüte. Ich schreibe einen Artikel für einen meiner Blogs.

Soundcheck mit den Weather-Girls

Keine fünf Minuten hatte ich nach Worten gesucht, da zerschneidet ein Mikrofon die romantische Stille. Eins … zwei … hört ihr mich? Die Weather Girls singen mit ihrem Regenmann gegen den strahlend blauen Himmel an. Zwischendurch wird den gewaltigen Stimmen der Sängerinnen immer wieder der Saft abgedreht. Eins … zwei … drei … jetzt passt es.

Mein Mann steckt seinen Kopf aus der Kajüte und spricht von der Mittagsruhe: Mieter müssen sie zwingend einhalten, Eigentümer nicht. So ist es zumindest in dem Wohngebiet, in dem wir leben: Eigentümer können um 14 Uhr den Benzinrasenmäher oder den Laubsauger anwerfen. Mieter müssen warten, bis sich der Zeiger der Uhr über die Drei bewegt hat. Nun können die Betreiber des Inselparadieses nicht wissen, dass ein Schichtarbeiter in seiner Kajüte Ruhe sucht. Und wenn sie es wüssten, wäre es ihnen vermutlich egal. Aber vielleicht können sich die Organisatoren denken, dass sie mit ihrer Party, die sie an diesem Mittag vorbereiteten, bei den Mitmenschen auf ihren Boote auf wenig Gegenliebe stoßen.

Party ohne Ansage

Ich öffnete auf meinem Smartphone die Homepage des Inselparadieses. Ist irgendetwas angekündigt, für diesen Tag? Nein. Manchmal gibt es die Party mit Ansage. An diesem Tag fand ich auf der Seite nur Werbung für Klassenfahrten, Ferienlager und Wochentouren. Betreuer mit viel Erfahrung wurden gesucht. Ehrenamtlich, versteht sich. Schließen sich viel Erfahrung und wenig Bezahlung nicht aus? Egal. Das Mikrofon schwieg, die Weather Girls hatten ihren Evergreen zu Ende geträllert. Es legte sich wieder angenehme Ruhe, über den See. Es war 14 Uhr. Vielleicht hatten wir einen Soundcheck für eine Abendveranstaltung miterlebt. Mein Mann fand seine Ruhe, ich vertiefte mich in meinen Text. Für eine Stunde. Dann begann das Neptunfest.

Ein bisschen lauter, bitte

Das Neptunfest ist ein Ritual aus dem DDR-Ferienlager. Wir bekamen die Neptuntaufe, indem wir einen mit Senf und scharfen Gewürzen angereicherten Cocktail trinken mussten. Danach wurden wir ins Wasser geschmissen, natürlich mit unseren Klamotten, so wir vergessen hatten, vorher unsere Badebekleidung anzuziehen. Dann bekamen wir einen neuen Namen. Ich hab das nie so wirklich gemocht, aber die Idee ist schon toll.

Ein Mädchen, ich nenne es Anja, hatten offenbar eine besondere Aufgabe: In den anderthalb Stunden, in denen wir von dem Mikrofon unterhalten wurden, rief die Moderatorin bestimmt ein Drittel der Zeit ohne Unterbrechung „Anja“ ins Mikrofon. Und feuerte die Meute an, „lauter“ zu sein. War das Fest zu langweilig?

Von Anfang an schaffte es die Stimmungsmacherin nicht wirklich. die Kids für die Party zu begeistern. Aber sie gab sich auch nicht viel Mühe. Mit „Gib ihm die Sahne“ und „Her mit dem Neptun-Saft“ war ihr Repertoire bereits erschöpft. „Lauter“ rief sie ständig ins Mikrofon und „Anja“. Von den Kindern hörte man nichts. Deshalb stelle ich mir die Frage, warum man für ein solches Spektakel eine Partyanlage mit Mikrofon benötigt? Das so laut einstellt ist, dass es nicht nur die Freude der Kinder übertönt, sondern auch die nach Erholung suchenden Bootseigner beschallt?

Einige Anker lichteten sich

Wer meine Kritik nicht versteht, der versuche sich vorzustellen, wie anderthalb Stunden lang „Anja“, „Gib ihm die Sahne“, „Lauter, ich höre Euch nicht“ und „Her mit dem Neptun-Saft“ abwechselnd über den See hallen. Die Idee, diesen Artikel zu schreiben, kam mir, als sich schon in der ersten halben Stunde mehrere Anker lichteten: Das ältere Ehepaar räumt SUP und Buch weg, startet den Motor, fährt die Ankerleine ein und fährt davon. Die Großeltern mit dem Enkel entfernen sich, ebenso die beiden anderen Boote, die vor dem Badestrand liegen.

Mir gab diese „Flucht“ trotz blauem Himmel, sehr hohen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein das Gefühl, mit meinem Unmut nicht allein zu sein. Doch wie gelingt es, die Interessen eines Ferienparadieses mit denen der nach Ruhe suchenden Bootseigner unter einen Hut zu bringen?

Abruptes Ende des Neptunfestes

Das Neptunfest war nach guten anderthalb Stunden beendet. Ob es zu Ende war, weiß ich nicht genau, denn die Moderatorin änderte in den letzten zehn Minuten ihr Wording. „Sitzt still“, „keiner geht ins Wasser“ und „Aufmerksamkeit, bitte“ lauteten die Anweisungen, die mein inzwischen wieder erwachter Mann und ich aus unseren Kindertagen nicht kennen. Dort brachte Neptun Spaß, eklige Senfbrühe, nasse Klamotten und Geschrei. Still sitzen und aufmerksam sein mussten wir nicht. Und ins Wasser sollten wir doch gehen.

Die Kinder durften dann doch regulär baden. Die Moderatorin beendete das Fest abrupt und sehr genervt. Lange badeten sie nicht, dann legte sich wieder Ruhe über den See. Das Mikrofon schwieg, es war wirklich nur für diese Aktivität eingerichtet worden. Wir schwammen eine Runde im klaren See, dann legte sich mein Mann nochmal zur Ruhe. Seine Schlafgewohnheiten während der Nachtschicht sind nicht jedermanns Sache. Aber ohne Neptunfest klappt die Nachmittagsruhe gut, in der Kajüte.

Wer auf dem Glindower See Ruhe sucht …

… der muss mit dem Lärm vom Inselparadies leben. Die schönsten Liegeplätze gibt es dort. Rundum ist das Ufer bewaldet, es gibt keinen Straßenlärm: Gelegentlich sind Kettensägen aus den Gärten zu hören. Oder es gibt kleinere Handwerkerarbeiten. Seitdem die Idylle in diversen Facebookgruppen publik gemacht wurde, ist es Jahr für Jahr voller geworden. Ein Ausflugsschiff fährt bis in die enge Grelle. Obwohl es auf dem See eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 8 km/h gibt, erfreut er sich auch bei Jetski-Piloten einer großen Beliebtheit, die von einer Geschwindigkeitsbegrenzung offenbar nichts wissen.

Es gibt Partyboote mit lauten Feiernden, die Sonne enthemmt gemeinsam mit dem Alkohol. Im Bereich zwischen Rüsterhorn und Petzow ist der See etwa sechs Meter tief: Du kannst ins Wasser springen, ohne das Kraut am Kopf oder an den Füßen zu spüren. Das ist auch ein Aspekt, der anziehend wirkt. Doch Partyboot, Jetski und Kettensäge sind Momentaufnahmen, die zum Alltag gehören. Das Inselparadies ist immer da.

Klassenfahrten und Partyabende

Die Moderation des Neptunfestes war eine Momentaufnahme: Wir wohnen in Werder (Havel) und verbringen viel Zeit auf dem See. Das hatten wir bislang noch nicht so erlebt. Aber vom Inselparadies kommt tagtäglich ein Lärm, der das übliche Maß überschreitet. Liegt es an den ehrenamtlichen Betreuern, die nicht in der Lage sind, die Kinder zu bändigen? Liegt es an den Eltern, die einen antiautoritären Erziehungsstil pflegen? Oder fühlen sich die Kinder so unendlich frei, weil sie das Baden in einem See gar nicht mehr kennen? Das Geschrei erinnert oft nicht an Spaß und Spiel, sondern wirklich eher an Mord und Totschlag. Es geht über Stunden, an jedem Tag, und du hörst es über den ganzen See.

Ein paarmal im Jahr ist Partynachmittag. Das wird gelegentlich auf der Website angekündigt. So ist der Ruhe suchende Bootseigner vorgewarnt. Aber das Areal ist klein, nicht zu vergleichen mit der großen Silvestersause am Brandenburger Tor, zu der 100.000 Menschen kamen. So übermütig wie Andrea Kiewel, brüllen auch die Moderatoren der Veranstaltungen ins Mikrofon. Es ist nicht mehr möglich, ein Buch zu lesen, der Natur zuzuhören oder gar ein Nickerchen auf der Sonnenliege zu halten. Ich sitze dann auf meinem Boot und stelle mir die Frage: Muss das sein?

Welchen Ausweg kann es geben?

Natürlich wünsche ich mir nicht, dass das Inselparadies pleite geht, damit ich und andere Bootseigner ihre Ruhe haben. Wir waren selbst oft dort, in der Jugend und als Eltern unserer Kinder. Schulabschlüsse wurden dort gefeiert, die erste „Klassenfahrt“ war eine Wanderung zum Inselparadies. Und die Kids fanden es toll. Es ist wirklich ein kleines Paradies, für Kinder. Wald, viel Fläche zum Spielen und Toben, und der Strand, der flach ins Wasser führt und auch für Nichtschwimmer geeignet ist. Und es gibt einen Kanuverleih, der von vielen Gästen genutzt wird. Das Inselparadies hat einen Namen, in Werder, und wird hoffentlich so bleiben. Die Zeiten sind, bezogen auf die Wirtschaft, ja nicht so rosig.

Doch vielleicht könnte es Kompromisse geben? Eine Art diplomatischer Frieden, zwischen Oma und Opa auf ihrem Boot und den Kids, die ihre Klassenfahrt oder Ferienfreizeit auf dem Inselparadies erleben und dabei ein Neptunfest feiern. Drei Vorschläge hätte ich:

  • Verzicht auf eine Mikrofonanlage bei einem einfachen Neptunfest
  • Eine auf das Areal abgestimmte Lautstärke bei den Partynächten
  • Unbegrenzter Badespaß für die Kids, aber vielleicht nicht in unbegrenzter Lautstärke?

Der Glindower See ist einer der saubersten Seen Brandenburgs. Am Ufer des Rüsterhorns und in der Petzower Grelle erlebst du eine Idylle, die auf den Havelseen einzigartig ist. Sie lädt zum Erholen und Entspannen ein: Auf dem Boot, dem Kanu, dem SUP. Da der See in diesem Bereich in einem Sackgasse mündet, gibt es keinen Durchgangsverkehr.

Eine Liebeserklärung an den Glindower See

Vielleicht gelingt es dir, diesen Text als eine Art Liebeserklärung an unseren Glindower See zu verstehen. Ich weiß, dass Freizeitkapitäne wie wir diese wunderbare Natur belasten. Mit lauten Motoren, mit Abgasen, mit Wellenschlag. Das mag ebenso unnötig sein wie die Nutzung einer Mikrofonanlage bei einem Neptunfest. Doch wenn wir unsere Anker werfen, dann schweigen die Motoren. Wir werden eins, mit der Natur.

Wäre es eine Idee, dass die Natur des Glindower Sees im Bewusstsein der Verantwortlichen des Inselparadieses mehr in den Mittelpunkt rückt? Es könnte neben der Nachtruhe eine Mittagsruhe geben. Sicher ist es kein großer Aufwand, Events auf der Webseite anzukündigen. Dann könnten Erholungssuchende entscheiden, ob sie den Tag dennoch dort verbringen möchten.

Sorgen wir gemeinsam dafür, dass der See ein Ort bleibt, an den wir immer wieder gern zurückkehren. Es sollte für die Freizeitkapitäne ebenso gelten, wie für die Betreiber des Inselparadieses. Wenn dieser Text ein wenig zum Nachdenken anregt, dann hat er seinen Zweck erfüllt. Konstruktive Diskussionen sind herzlich willkommen. Andere Meinungen ebenfalls.

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