Baumblütenfest in Werder (Havel): Gestern und Heute
Rund um den ersten Mai findet in Werder (Havel) das traditionelle Baumblütenfest statt. 2024 jährte es sich zum 145. Mal. Wenn du das Fest vor 2019 besucht hattest, hast du sicher Erinnerungen an einen großen Eröffnungsumzug, an Konzerte, gute Coverbands und viele Imbissstände mit Obstwein, Getränken und allerlei Angeboten für das leibliche Wohl. 2023 erwartete dich eine Neuausrichtung. Eintrittskarten für Konzerte, eine Regattastrecke ohne Bühne, ein kulinarisches Weindorf mit Streichorchester waren nur einige Ideen, die Umsetzung fanden. Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Das Konzept ging nicht auf. 2024 ist wieder alles anders. Wohin steuert die Tradition?
Das Wichtigste in Kürze:
- Das Baumblütenfest findet traditionell rund um den ersten Mai statt
- Es eröffnet am letzten Freitag im April mit dem Baumblütenball
- Im ganzen Stadtgebiet sind Höfe und Gärten für die Besucher geöffnet
- Das große Volksfest befindet sich seit 2023 in einer Neuausrichtung
- Obstwein und Schmalzstullen sind eng mit dem Fest verbunden
- Aktuelle Informationen zum Fest findest du ab Anfang April hier.
Baumblütenfest in Werder (Havel) – Tradition seit 1879
Das Baumblütenfest wurde erstmals im Jahre 1879 gefeiert. Das Fest sollte es den Obstbauern ermöglichen, ihren selbst hergestellten Wein, den sie aus Kirschen, Erdbeeren oder Johannisbeeren gewannen, an die Gäste aus Berlin zu verkaufen. Damals brachten Ausflugsdampfer die Besucher über die Havel nach Werder. Die Höhengaststätte Friedrichshöhe hatte einen Anleger. Der Weg führte über eine Treppe direkt zum Fest. Bis zur Bismarckhöhe mussten die Besucher ein Stück laufen. Auch heute kannst du den Besuch auf dem Fest mit einer Dampferfahrt über die Havel verbinden. Der Anleger befindet sich auf der Inselstadt. Die Schiffe legen tagsüber stündlich an. Karten buchst du online oder an der Tageskasse bei Antritt der Fahrt.
Die Ursprünge des Baumblütenfests
Ich kenne die Erzählungen über die Ursprünge des Festes aus erster Hand, denn ich entstamme väterlicherseits einer Familie aus Fischern und Obstzüchtern. Die Obstmucker, wie sie in unseren brandenburgischen Dialekt heißen, öffneten ihre Gärten und stellten Bänke unter die blühenden Obstbäume. Um diese besondere Atmosphäre in jedem Jahr aufs Neue bieten zu können, fand das Fest um den ersten Mai herum statt. In dieser Zeit gab es im ausgehenden 19. Jahrhundert so etwas wie eine Garantie, dass die Besucher unter schneeweißen Apfelblüten oder rosafarben blühenden Pfirsichbäumen verweilen konnten.
144 Jahre, keine 144 Baumblütenfeste
Die Tradition wurde immer wieder unterbrochen. Zwei Kriege, die auch vor Werder (Havel) nicht Halt machten, und die 40 Jahre der Teilung sorgten für Pausen. Dass wir im Jahre 2023 das 144. Fest feierten, ist dem Ursprung geschuldet. Tatsächlich gab es keine 144 Veranstaltungen. Aus der Zeit der DDR kann ich mich nur an den Festumzug zum 100jährigen Bestehen der Baumblüte im Jahre 1979 erinnern. In jedem Jahr gab es an der Höhengaststätte Rauenstein Schaumküsse. Sie hatten zu jener Zeit einen anderen Namen. Auf der Friedrichshöhe waren Traktoren aufgestellt. Beide Gaststätten sind heute leider dem Verfall preisgegeben.
Das größte Volksfest in Ostdeutschland
Mit der Wende etablierte sich die Baumblüte zum größten Volksfest in Ostdeutschland. In den 1990er-Jahren kamen die Stars und Sternchen aus den Charts. Mr. President, La Bouche, Captain Jack. In den Nuller Jahren hießen die Interpreten Ivonne Catterfeld, Janette Biedermann und French Affair. Für Boygroup-Konzerte wurde Eintritt verlangt. Die 2010er Jahre waren geprägt durch Lokalmatadoren, Coverbands, aber auch Künstler wie DJ Ötzi, City, Frank Zander oder Glasperlenspiel, die ihre Hits auf einer Bühne an der Regattastrecke performten. Es waren unvergessliche Abende, die jedoch jedes Jahr ein bisschen mehr vom übermäßigen Obstweinkonsum der jungen Generation überschattet wurden.
August 2019 – Verkündung vom Ende des Baumblütenfestes
Das letzte große Baumblütenfest im Jahre 2019 brachte ein Fass zum Überlaufen, das bereits mehrere Jahre gegärt hatte. Im August verkündete der Erste Beigeordnete Christian Große, dass das Fest nicht mehr stattfinden werde. Es folgte im September eine Welle des Protests, angeführt von den Obstbauern, die in dem Fest ihre größte jährliche Einnahmequelle sahen. Die Betreiberin eines Hotels berichtete unserer lokalen Zeitung von Stornierungen der Buchungen für das Jahr 2020. Dabei weinte sie. Unter vorgehaltener Hand erzählte man sich in den engen Straßen der Inselstadt, dass nicht allein die betrunkenen Jugendlichen für das Ende des Festes verantwortlich waren. In den letzten Jahren hatten viele Häuser auf der Inselstadt neue Besitzer gefunden, die sich mit dem Fest, dessen Zentrum die Insel war, so gar nicht abfinden wollten. Der Vergleich mit dem Oktoberfest machte in unserer Stadt die Runde.
Hätte der Ossi die Macht, das Oktoberfest abzuschaffen?
In den Werdergruppen der sozialen Netzwerke, aber auch bei den Unterhaltungen der Bürger fiel immer wieder der Vergleich mit dem Oktoberfest. Er bezieht sich darauf, dass einige der neuen Hausbesitzer auf der Inselstadt nicht aus den sogenannten neuen Bundesländern stammen.
Man stelle sich vor, ein Ossi zieht nach München in die Nähe der Theresienwiese. Ihm ist das traditionelle Fest zu laut, er setzt alle Hebel in Bewegung, um das Fest abzuschaffen. Seine Chancen sind gleich Null. In Werder ist sowas möglich.
Stadtgespräche in Werder (Havel). 2019
Dass die Abschaffung des Festes, wie es in den 30 Jahren nach der Wende aufgebaut wurde, auf eine Initiative der Inselbewohner zurückging, gibt niemand offen zu. Die Tatsachen lassen sich wie folgt aufzählen: Es gibt auf dem Markt keine Bühne mehr, dafür gehobene Kulinarik, die sich vermutlich nicht jedermann leisten kann. Man wolle unter sich bleiben, munkelt man unter vorgehaltener Hand.
Die Protestaktion im September 2019 auf der ehemaligen Festmeile Regattastrecke hat nicht viel bewirkt. Das Fest fiel zwischen 2020 und 2022 aus. Offizielle Begründung war die Coronapandiemie. Wer nicht in Werder (Havel) wohnte oder firm war in der innerstädtischen Berichterstattung, hatte längst vergessen, dass das Aus bereits im August 2019 verkündet wurde. Lange vor der Pandemie.
Neustart im Jahre 2023
Traditionell begann die neue Baumblüte am 22. April 2023 mit dem Festumzug. Dieser war, wie das gesamte Fest, kleiner, er endete nicht mehr auf der Inselstadt, sondern vor der Schule, etwa 500 Meter vom Markt entfernt. In der Stadt gab es keine Bühne, wer tanzen wollte, musste die Treppen zur Bismarckhöhe erklimmen. Die Konzerte am zweiten Wochenende kosteten wie in den Nuller Jahren Eintritt. Nicht mehr acht, sondern bis zu 30 Euro musstest du berappen, wenn du dabei sein wolltest. Die Festmeile führte nicht mehr durch die Stadt zur Insel, sondern über den Hohen Weg zur bereits genannten Bismarckhöhe. Auch dort leben Menschen in ihren Eigenheimen. Es bleibt die Frage, ob diese sich dann in den kommenden Jahren gegen den Trubel wehren. Ja, wir geben dem Neustart eine Chance. Doch viele Einheimische und Besucher waren enttäuscht. Die Reaktionen auf das neuausgerichtete Fest 2023 habe ich in einem eigenen Beitrag beschrieben..
Unter blühenden Obstgärten
Einige Tage vor Beginn der neuen Baumblüte wurde ich im April 2023 von einem Berliner gefragt, ob überhaupt eine Baumblüte stattfindet. Es gab in Berlin kaum Werbung. Ja, sie fand statt. Aber es wurde nicht dafür geworben. Der Kreis der Menschen, die unter blühenden Bäumen ihren Obstwein genießen dürfen, sollte in einem kleinen Rahmen gehalten werden. Auffallend war die Werbung in den sozialen Netzwerken für das geplante Weindorf und die gastronomischen Einrichtungen auf der Insel. Der Schwerpunkt des Festes liegt knapp einen Kilometer entfernt in der Straße Hoher Weg. Gibt es Bedenken, dass Gäste fernbleiben oder die einzige Bühne auf der Bismarckhöhe dem bewusst privat gehaltenen, preislich anspruchsvollen Inselspektakel vorziehen könnten?
Auch wenn ich nicht mehr zu den Obstzüchtern zähle, weil der Obstanbau in meinem Zweig der Familie mit meiner Großmutter verstorben ist: Ich wünsche den Weinbauern, dass die Tradition, die 1879 begann, gewahrt bleibt und dass das Fest in den nächsten Jahren wieder wächst. Es ist die wichtigste Einnahmequelle der Obstzüchter. Und es gehört zur Kultur unserer Stadt.
Was erwartet dich 2024?
Das Baumblütenfest ist im Jahre 2024 wieder ein neues. Wieder gingen der Veranstaltung Diskussionen voraus, wieder gab es Kritik. Aber die Obstbauern und Gewerbetreibenden passen sich an. Und so findet erstmals ein Fest statt, dass drei Tage andauert und nicht einmal den traditionellen 1. Mai in einem schönen Rahmen einbezieht. Wenn du feiern möchtest, bist du zwischen dem 3. und 5. Mai in Werder (Havel) herzlich willkommen. Zwischen dem 27. April und dem 4. Mai bringt dich ein Bus auf die Obstplantagen. Auf dem Hohen Weg kannst du ebenfalls einkehren. Weitere Informationen zum Baumblütenfest 2024 findest du in diesem Artikel.
3 Tipps für den Besuch des Baumblütenfestes
Hier meine Tipps für einen schönen Tag auf dem Baumblütenfest in Werder (Havel):
1. Die Anreise – bitte lass dein Auto zu Hause
Die Anreise mit dem Auto ist wirklich keine gute Idee. Die Stadt ist in Teilen gesperrt, es gibt kaum öffentliche Parkplätze, und wenn du einen findest, musst du ziemlich weit laufen. Zudem ist das Ordnungsamt in Werder (Havel) sehr aktiv. Es verteilt sogar Parkverbotstickes an den Scheiben von Autos, die auf ihrem privaten Parkplatz stehen. Gut, wer eine Rechtschutzversicherung hat. Du kannst Werder (Havel) mit dem Bus 631 von Potsdam und mit dem RE1 von Berlin (oder Potsdam) prima erreichen. Ab der Langen Brücke in Potsdam und ab Wannsee gibt es die bereits beschriebenen Dampferfahrten, die dich zur Inselstadt bringen. Dort startest du deinen Tag im neuen Weindorf auf dem Markt. Die Anreise mit dem Fahrrad ist auch möglich, doch leider kennt Werder (Havel) keine sicheren Abstellplätze.
2. Lerne die Obsthöfe kennen
Die Obsthöfe der Bauern, die ihre Plantagen selbst bewirtschaften, liegen etwas außerhalb von Werder (Havel). Bist du mit dem Fahrrad gekommen, kannst du auf dem Obstpanoramaweg von Hof zu Hof fahren. Er beginnt im Werderaner Ortsteil Glindow, ist aber in Werder ebenfalls mit einem grünen Wegweiser beschildert. Während der Blütentage bringen dich Busse von Werders Zentrum auf die Höfe. In der Stadt öffnen private Gärten, auch dort kannst du unter blühenden Obstbäumen ein Glas Obstwein mit der traditionellen Schmalzstulle oder einem Stück Kuchen genießen.
3. Die Stadt präsentiert sich auf dem Werdertag und beim Festumzug
Werder (Havel) ist eine Stadt mit vielen Traditionen und noch mehr Vereinen. Wenn du mehr erfahren, dich engagieren oder sportlich betätigen möchtest, schaust du dir den Festumzug an. Dieser führt durch die Straße Unter den Linden.
Ein weiteres Highlight für die Stadt ist der Werdertag. Er findet auf der Hauptbühne statt. Diese stand lange auf dem Markt. 2024 ist sie auf dem Plantagenplatz aufgebaut. Du wirst mit einem bunten Programm aus Werders Traditionen unterhalten und lernst die Vereine kennen. Werder hat viele davon! Auch Gewerbetreibende präsentieren sich, und es gibt ein kleines Showprogramm.
