Waldsiedlung in Wandlitz – das Zuhause der DDR-Funktionäre
In der DDR war die Waldsiedlung in Wandlitz für uns ein Begriff. Wir wussten, dass unser Honecker dort in den Wäldern jagte. Dass er dort irgendwo wohnte. Das Areal wurde im Jahre 1990 für die Allgemeinheit geöffnet. Heute ist es ein Klinikgelände, in das die Wohnhäuser der wichtigsten Mitglieder der SED-Führungsriege integriert sind.
Das Wichtigste in Kürze:
- Auf dem Gelände der ehemaligen Waldsiedlung befindet sich heute eine Klinik
- Der gesamte Bereich ist frei zugänglich
- Einige der ehemaligen Villen werden für Therapien genutzt
- Schilder informieren über die ehemaligen Bewohner der Siedlung
- Im einstigen Zuhause von Walter Ulbricht befindet sich ein Museum
Besuch in der Waldsiedling – inspiriert durch eine Fernsehserie
Ich kann nicht genau sagen, warum ich erst im Jahre 2022 gemeinsam mit meinem Mann auf die Idee kam, in die Waldsiedlung zu fahren. Nach der Wende wäre es interessanter gewesen. Inspiriert hatte uns die Fernsehserie Weissensee. Wir sind gar keine Serienfetischisten, aber von dieser haben wir alle Folgen geschaut. Und beschlossen, die historischen Stätten aus der DDR-Zeit zu besuchen. Neben Wandlitz waren das die Stasizentrale in der Rungestraße in Berlin-Friedrichshain und das Stasigefängnis in Hohenschönhausen. Beides waren Drehorte der Serie. Um den Weißen See sind wir mit dem Fahrrad gefahren und haben festgestellt, dass die Szenen der Serie nicht dort gedreht wurden. Wandlitz kommt in der Serie nicht vor. Aber nun wollten wir uns anschauen, wie die als Bonzen bezeichneten Funktionäre gelebt haben.
Wandlitz war in der DDR vom Hörensagen bekannt
Das Interesse an Wandlitz ging zumindest in meiner Familie nicht so weit, dass wir uns intensiv darüber austauschten. Ich muss gestehen, dass ich meine Kenntnisse bis heute nicht wirklich erweitert habe. Das bereue ich. Im Jahr 33 nach der Wende sind die Häuser der Funktionäre im Original erhalten. Doch viele Spuren sind verwischt, die wir in den 1990er Jahren vielleicht noch gesehen hätten. Doch da hatten wir kleine Kinder und unsere Interessen waren anders gelagert. Vor allem waren wir froh, die DDR hinter uns gelassen zu haben. Heute denken wir ein bisschen differenzierter, auch wenn das einige nicht so gern hören. Aber wir waren Kinder und Jugendliche und wir haben schöne Erinnerungen, die wir uns nicht nehmen lassen wollen. Ein wenig bizarr empfanden wir das Areal der Waldsiedlung in Wandlitz. Und stellten uns die Frage, warum sich eine Regierungsriege im Wald hinter einer Mauer verschanzt.
Das Zuhause von Walter Ulbricht – es ist austauschbar
Walter Ulbricht lebte mit seiner Frau Lotte im Haus 7 der Waldsiedlung. Alle Häuser waren mit den Nummern ausgezeichnet: Ein Schild im Eingangsbereich des Areals informiert darüber. Du erfährst in dem Überblick, wer in welchem Haus wohnte und in welcher Straße du die Häuser findest.
Haus 7 ist als Museum im Original erhalten
Nach dem Tod von Walter Ulbricht im Jahre 1973 zog der Chef der Staatlichen Planungskommission dort ein. Sein Name ist heute nicht mehr geläufig. Ich kannte ihn auch nicht: Gerhard Schürer hieß er. Das Bild ist austauschbar. Das Haus von Erich Honecker, Erich Mielke, Willy Stoph und Egon Krenz sehen dem von Ulbricht/Schürer zum Verwechseln ähnlich. Das Besondere an Haus 7 von Walter und Lotte Ulbricht ist die im Orignal erhaltene Einrichtung. Du kannst dir anschauen, wie die Führungsriege in der DDR gelebt hat. Von Luxus fehlt jede Spur. Und das gilt nicht nur für den Vergleich mit dem heutigen Standard.
Waldsiedlung in Wandlitz – 23 Eigenheime für die Funktionäre
23 Häuser von ehemaligen Funktionären gibt es in der Waldsiedlung in Wandlitz. Alle sind im Original erhalten und restauriert. Vor jedem der Häuser befindet sich die kleine Mauer, die du auf dem Bild vom Ulbricht-Domizil siehst. Die Eingangspforte fehlt. Die Häuser sind groß, vor allem, wenn man sie aus Sicht eines DDR-Bürgers betrachtet. Sie entsprechen aber nicht dem, was wir vom Hörensagen kannten.
Die goldenen Wasserhähne gab es nicht
Ich selbst habe es nie gehört, aber es war die Rede von goldenen Wasserhähnen und beeindruckenden Villen, in denen die “Bonzen” in einer eigenen Welt lebten. Die eigene Welt war Realität, versteckt im Wald, bewacht hinter einem vergitterten Zaun, mit einem Innen- und Außenring. Im Außenring lebten die Versorger, im Innenring die Funktionäre. Das ganze Areal war von einer zwei Meter hohen Mauer umgeben. Von der Straße waren die Häuser nicht einsehbar. Heute fährst du zur Brandenburg-Klinik, wenn du dir diesen Teil der Geschichte anschauen möchtest. Die Straße, die zur Klinik abbiegt, war für den Normalbürger nicht befahrbar. Das Areal war mit Kameras geschützt und wurde rund um die Uhr bewacht.
Möbliert, zur Miete, im einheitlichen Stil
Die Häuser spiegeln die DDR auf eine eindrucksvolle Weise wieder. Alles einheitlich. Gleicher Stil, gleiche Farbe, fast eine identische Größe. Für uns war nicht mehr auszumachen, ob die kleinen Unterschiede von den Funktionären in Auftrag gegeben wurden oder erst nachträglich entstanden sind. Belegt ist, dass die Funktionäre die Häuser gemietet hatten. Möbel inklusive. Schrankwand. Küche aus Presspappe. Hochwertige Armaturen und Miele-Geräte fanden die ersten Besucher der Siedlung: DDR-Bürger, die in den Wirren des Jahres 1989 im Auftrag des Jugendsenders Elf99 eingelassen wurden. Ihnen kam vieles, was sie in den Häusern sahen, ziemlich bekannt vor.
Warum verschanzt man sich gemeinsam hinter einer Mauer?
Ich habe mich beim Spaziergang durch das Areal gefragt, wie Staatschefs und Mitglieder einer Regierung auf die Idee kommen, nach getaner Arbeit gemeinsam zu wohnen. Recherchen auf den offiziellen Seiten der Waldsiedlung und in Zeitungsberichten haben ergeben, dass die Funktionäre sehr auf ihr Privatleben bedacht waren. Sie beäugten sich auch intern misstrauisch. Nachbarschaftliche Verbundenheit, wie wir es in der DDR aus der eigenen Straße kannten? Fehlanzeige! Hier lebte man direkt nebeneinander, doch war lieber unter sich.
Opulente Versorgung – aus Sicht des DDR-Bürgers
Die Siedlung bot nicht nur einheitliche Einfamilienhäuser, sondern einen Konsum, der Obst, Gemüse und andere Leckereien erhielt, die der normale Bürger bestenfalls ein paar Mal im Jahr kaufen konnte. Anstehen inklusive. Bananen und Ananas waren in der DDR Mangelware. In der Waldsiedlung nicht. Es gab Freizeiteinrichtungen und Kultur. Alles an einem Platz. Sollten wir im Nachgang neidisch sein, auf ein solches Leben? Eher nicht.
Diktatur unter dem Deckmantel des Sozialismus
Wir waren in der DDR nicht frei. Wir lebten in einer Diktatur. Aber nicht nur wir Bürger. Auch die Funktionäre. Sie unterlagen der Herrschaft der Sowjets, bis ein Mann namens Gorbatschow kam und Worte wie Glasnost und Perestroika prägte. Die DDR ging unter und nahm die Funktionäre und die Waldsiedlung mit. Die Spuren bleiben. Seit 2017 stehen die Funktionärshäuser unter Denkmalschutz. Ein richtiger Schritt. Wir sollten diesen Teil der Geschichte nicht vergessen und an unsere Kinder und Enkel weitergeben.
Eindrücke von unserem Spaziergang in der Waldsiedlung Wandlitz
Wir haben skurrile Eindrücke von der Waldsiedlung in Wandlitz mitgenommen. Beim Gang durch die drei Straßen, in denen die Häuser weitläufig angeordnet sind, stellten wir uns immer wieder die bereits ausgesprochene Frage: Warum lebt man so? War es freiwillig? Oder war es die Angst vor dem eigenen Volk, das wissentlich in enge Grenzen gepresst wurde? Die Beantwortung überlassen wir der Geschichtswissenschaft. Auch wenn meinem Mann und mir gute Erinnerungen an unsere Kindheit und Jugend in der DDR bleiben: Es ist gut, dass dieses System 1989 scheiterte.